Plötzlich alleinerziehend – was nun?
Wenn es anders kommt als geplant, steht das Leben erstmal Kopf: Plötzlich sind Sie alleinerziehend, allein verantwortlich. In diesem Ratgeber finden Sie Ressourcen für die erste Zeit als Einelternfamilie.
Trennung, Scheidung, Sorgerecht, Kindesunterhalt, Alimente: Auf einmal drängen sich unerwartete Themen auf. Als alleinerziehende Mutter oder alleinerziehender Vater müssen Sie sich allein um Alltagsorganisation und Wohnsituation, Finanzen und Vorsorge sowie rechtliche Fragen kümmern – doch es fehlt an Zeit, Kraft und Nerven dafür. Mit anderen Worten, Sie befinden sich gerade in einer Extremsituation. Das Wichtigste vorweg:
- Versuchen Sie, trotz allem einen kühlen Kopf zu bewahren.
- Nehmen Sie jede Hilfe an, auch wenn das manchmal schwerfällt.
- Sorgen Sie gut für sich selbst. Vor allem dann, wenn es scheinbar nicht drinliegt.
Wie bewältigen Alleinerziehende den Alltag?
Die täglichen Aufgaben zu stemmen und die Last der Verantwortung allein zu tragen, ist anstrengend und kann leicht zu Überforderung führen. Jetzt braucht es klare Strukturen, die etwas Ordnung ins Chaos bringen.
- Aufgaben notieren: Schreiben Sie alles auf, das Ihnen durch den Kopf schwirrt, aber nicht gleich erledigt werden kann. Ob Notizblock oder Smartphone: Hauptsache, Sie behalten den Überblick.
- Wochenplan erstellen: Erfassen Sie Termine und Aufgaben in einem übersichtlichen Kalender oder einer App. Auch Menüplan und Wocheneinkauf vereinfachen den Alltag.
- Notfallplan erarbeiten: Wen kann man anrufen, falls Sie nicht erreichbar sind? Was tun, wenn Sie ausfallen? Wer ist die Kinderärztin oder der Kinderarzt? Erstellen Sie ein Notfallblatt mit wichtigen Kontakten für Kita, Kindergarten usw.
- Routinen etablieren: Feste Abläufe beruhigen – das gilt für Ihr Kind, aber auch für Sie selbst. Zu Beginn kostet es Kraft, ein Ritual einzuüben. Doch langfristig erspart es so manche Diskussion.
- Pausen einplanen: Durchforsten Sie Ihre Agenda nach Lücken und reservieren Sie Zeit für Dinge, die Ihnen guttun. Momente zum Durchatmen sind nun wichtiger denn je.
Fakten und Zahlen
In der Schweiz gibt es rund 200'000 Einelternfamilien. Das heisst, etwa 1 von 6 Familien wird nur von einem Elternteil betreut.
- Die Zahl der alleinerziehenden Eltern hat sich seit 1970 mehr als verdoppelt.
- Die grosse Mehrheit der Alleinerziehenden sind Mütter – nämlich ca. 86 Prozent.
- Einelternhaushalte haben ein etwa 4 × grösseres Armutsrisiko. Fast ein Viertel von ihnen hat Mühe, mit dem vorhandenen Geld auszukommen.
Wo finden Alleinerziehende praktische Unterstützung?
Tipps für die Kinderbetreuung
Erziehung ist eine erfüllende, aber auch anstrengende Aufgabe – vor allem emotional. Jetzt braucht der Elternteil, der die Erziehung übernimmt, zusätzliche Entlastung. Gibt es in Ihrem Umfeld potenzielle Babysitter? Fragen darf man immer!
- Verwandtschaft – Ihre Eltern, Geschwister, Cousins, Nichten usw.
- Nachbarschaft – Familien im Quartier, Familien von Spielgefährten, vielleicht sogar «Zusatz-Grosseltern»
- Freundeskreis – nahestehende Personen oder Götti/Gotti Ihres Kindes
Bei Betreuungsengpässen bietet das Schweizerische Rote Kreuz kurzzeitige Kinderbetreuung zuhause. Die Tarife sind einkommensabhängig.
Tipps für den Haushalt
Einige Hausarbeiten lassen sich vereinfachen oder delegieren. Prüfen Sie, was möglich ist und Sie entlastet.
- Onlineshops/Lieferdienste: Bestellen Sie Dinge des täglichen Bedarfs direkt vor die Haustür – das spart Zeit und Nerven.
- Wäsche/Reinigung: Vielleicht kennen Sie jemanden, der viel Zeit hat und gerne Wäsche faltet oder bügelt? Liegt es drin, eine Reinigungskraft zu engagieren?
- Mahlzeiten: Kochen Sie gleich grössere Mengen und frieren Sie die Reste ein. Suchen Sie sich zudem ein paar Rezepte heraus, die einfach und schnell zubereitet sind.
Tipps für Organisatorisches
Nutzen Sie Synergien! Wenn zwei Alleinerziehende abwechselnd die Kinder beider Familien betreuen, gibts je einen freien Halbtag. Essen Sie gemeinsam, damit nur eine Person in der Küche stehen muss. Auch Fahrdienste, Begleiten der Kinder und Ähnliches lassen sich gut unter mehreren Eltern aufteilen.
Was ändert sich für Alleinerziehende rechtlich und finanziell?
Rechtliche Fragen
Regeln Sie die Trennung mit einer Trennungsvereinbarung (Mustervorlage). Darin sollten insbesondere Wohnsituation, Finanzen und Erziehung definiert sein.
Elterliche Obhut und Besuchsrecht, Kindesunterhalt und der Anspruch auf Alimente stehen bei einer Trennung oder Scheidung oft im Fokus. Wenn Sie nicht weiterkommen, holen Sie sich fachliche Unterstützung:
- Pro Familia Schweiz
- Kantonale Anlaufstellen und Angebote – Beispiel Kanton Zürich
- SVAMV Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter und Väter
Übrigens: Die AXA-ARAG bietet kostenlose Rechtstipps zum Thema. Wer bei der AXA versichert ist, aber ohne Rechtsschutz, kann zum Fixpreis eine telefonische Rechtsberatung buchen.
Finanzielle Fragen
Viele alleinerziehende Eltern haben ein sehr knappes Budget. Informieren Sie sich, wie Sie richtig budgetieren – der Anfangsaufwand lohnt sich! Apps fürs Smartphone helfen, stets den Überblick über Ihre Ausgaben zu behalten.
Was finanzielle Hilfe betrifft, wenden Sie sich an eine Beratungsstelle, beispielsweise:
Fragen zu Versicherungen
Prüfen Sie gemeinsam mit Ihrer Beraterin oder Ihrem Berater, ob aufgrund der neuen Situation Versicherungsverträge angepasst werden sollten. In diesem Blogbeitrag erfahren Sie alles über die wichtigsten Versicherungen für Familien.
Nehmen Sie insbesondere Ihre Altersvorsorge unter die Lupe. Regelmässige Einzahlungen lohnen sich sogar dann, wenn Sie nur kleine Beträge beiseitelegen können.
Wie begleite ich mein Kind durch eine Trennung?
Nach einer Trennung muss Ihr Kind sich erstmal in der neuen Familiensituation zurechtfinden. So unterstützen Sie es:
- Emotionale Sicherheit: Sorgen Sie für ein möglichst liebevolles und entspanntes Umfeld. Ermutigen Sie Ihr Kind, Trauer und Wut zuzulassen – passende Geschichten, Bilder oder Musik können helfen.
- Klare Kommunikation: Erklären Sie Ihrem Kind die Situation altersgerecht und neutral (kein Schlechtmachen des anderen Elternteils). Nehmen Sie Ängste und Fragen ernst, aber stehen Sie dazu, wenn Sie keine Antwort haben.
- Qualitätszeiten: Gemeinsame Aktivitäten stärken die Bindung. Beziehen Sie auch Ihr Umfeld mit ein: Soziale Kontakte und schöne Erlebnisse tun Ihrem Kind gut. Prüfen Sie, ob Sie Anspruch haben auf eine KulturLegi.
Beobachten Sie an Ihrem Kind beunruhigende Verhaltensweisen? Dann zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Plötzlich alleinerziehend – was brauche ich?
Schuldgefühle, Einsamkeit und Existenzängste machen vielen alleinerziehenden Müttern und Vätern zu schaffen. Eltern wollen unbedingt stark sein. Doch am meisten helfen Sie Ihrem Kind, wenn Sie jetzt gut für sich selbst sorgen.
- Reden: Rückzug ist oft kontraproduktiv – suchen Sie das Gespräch mit Vertrauenspersonen, Fachpersonen oder anderen Betroffenen (in Foren, Selbsthilfegruppen oder via SVAMV).
- Akzeptieren: Es ist, wie es ist. Es ist okay, sich schlecht zu fühlen. Und es braucht Zeit, bis es besser wird. Akzeptanz macht schwere Zeiten erträglicher.
- Geniessen: Gönnen Sie sich im Alltag kleine Freuden und Auszeiten. Damit investieren Sie nicht zuletzt in Ihre mentale Gesundheit.