Management und Finanzen

Wettbewerbsvorteil Flexibilität

Bilder: Marco Vara
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In Branchen mit hohem Fachkräftemangel versuchen Firmen, mit flexiblen Arbeitsmodellen attraktiver für Arbeitnehmende zu werden. Dass Viertagewoche und Homeoffice nicht nur in Bürojobs möglich sind, zeigen zwei Beispiele. 

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    Meine Firma

    Originaltext erschienen in «Meine Firma», dem KMU-Magazin der AXA Schweiz.

    ZUR AKTUELLEN AUSGABE

Die Viertagewoche geistert Philipp Albrecht bereits seit seiner Ausbildung in der Hotelfachschule vor 15 Jahren im Kopf herum. Damals noch Zukunftsmusik in der Branche, war der heutige Direktor des Park Hotels in Winterthur sofort begeistert von diesem Konzept. Definitiv auf den Tisch kam das Thema im Sommer 2021. «Wir hatten nach dem zweiten Corona-Winter zu spät mit der Rekrutierung neuen Personals begonnen. Und fanden aufgrund des Fachkräftemangels in der Gastrobranche keine passenden Mitarbeitenden.» Da die Gäste gleichzeitig wieder in Scharen zurückkehrten, lief insbesondere die Küchencrew am Anschlag und war überlastet und unzufrieden. Insbesondere die vierstündige Zimmerstunde am Nachmittag war ein grosses Problem. «In einem Berghotel, in dem die Leute diese Zeit auf der Piste verbringen oder sich im benachbarten Personalhaus ausruhen können, mag das funktionieren. In einem Stadthotel, wo die Belegschaft teilweise lange Arbeitswege hat, ist die Zimmerstunde tote Zeit, die viele nicht sinnvoll nutzen konnten und in der sie deshalb in stressigen Zeiten einfach durchgearbeitet und so Überstunden angehäuft haben», so Albrecht. Es musste sich dringend etwas ändern.

Prozesse effizienter gestalten

Gemeinsam mit dem Küchenchef und dem HR-Leiter des Hotels erarbeitete Philipp Albrecht ein Konzept, das in erster Linie darauf zielte, die Ressourcen der Küchencrew besser einzuteilen und dadurch effizienter zu gestalten. Es entstand die Idee, nur noch an vier Tagen, dafür jeweils zwei Stunden länger zu arbeiten und dafür die Zimmerstunde zu streichen. Die neugewonnene Zeit am Nachmittag wird für die Vorbereitung des Abendservice sowie des nächsten Morgens genutzt. Eine ganzheitliche Planung und eine transparente Kommunikationskultur sind bei der Einführung neuer Arbeitsmodelle elementare Bausteine, erklärt Johann Weichbrodt, Organisationspsychologe an der Fachhochschule Nordwestschweiz: «Die  Kunst ist, die betriebswirtschaftlichen Ziele eines Unternehmens mit den Bedürfnissen der Mitarbeitenden in Einklang zu bringen. Sie müssen sich genau überlegen, welche Prozesse effizient sind und welche angepasst oder abgeschafft werden können. Tauschen Sie sich in der Planung eng mit Ihren Mitarbeitenden aus, testen Sie das Konzept ein paar Monate und prüfen Sie gemeinsam, was funktioniert und was nicht.»

Auch die Crew des Park Hotels testete die Viertagewoche während zweier Monate in einem Pilotversuch auf ihre Praktikabilität, danach wurde feinjustiert. «Wir haben schnell gemerkt, dass das Modell nicht überall funktioniert – für den Abwaschservice war das Konzept zum Beispiel nicht praktikabel», sagt Albrecht. In diesem Bereich fahre man mittlerweile wieder mit dem alten Modell. Ein wichtiger Punkt, weiss Johann Weichbrodt: «Gerade in Betrieben, in denen sich die Aufgaben je nach Bereich stark unterscheiden, muss man sich gut überlegen, wie man das Arbeitsmodell auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der individuellen Teams ausrichtet.» In der Küche des Park Hotels ist die Viertagewoche mittlerweile Normalität, das Feedback der Mitarbeitenden gut. Philipp Albrecht kann sich deshalb auch vorstellen, das Konzept für andere Bereiche zu prüfen. «Wir haben durch die Umstellung unseres Arbeitsmodells bisher stark profitiert – unsere Mitarbeitenden sind zufriedener, unsere Abläufe effizienter, und wir können uns im Markt als attraktiver Arbeitgeber positionieren», resümiert der Hoteldirektor. 

Setzt schon seit Jahren auf flexible Arbeitsmodelle und moderne Technologien: Michael Kummer von der KETAG.

Flexibilität dank Technologie

Als Instandhaltungsdienstleister mit Werkstätten in Kirchberg und Basel sowie fixen Öffnungs- und Servicezeiten kann die Küffer Elektro-Technik AG (KETAG) zwar nicht in jedem Bereich flexible Arbeitsmodelle einführen. Doch die idyllische Lage des Hauptsitzes im Emmental täuscht: Der Betrieb um Geschäftsführer Michael Kummer ist ganz schön auf Zack, auch in Sachen Arbeitswelt 4.0. So können die Mitarbeitenden aus den administrativen Abteilungen, Marketing und HR selbstständig entscheiden, wann sie wo arbeiten möchten. Meetings mit der ganzen Belegschaft werden stets hybrid durchgeführt, und Teilzeitarbeitende und Wiedereinsteigerinnen werden schon seit Jahren aktiv gefördert. «Wir haben schon vor der Pandemie wo möglich auf flexible Arbeitsmodelle gesetzt. Covid hat das Thema aber enorm vorangetrieben und nützliche Tools und Software wie Teams hervorgebracht, welche die Zusammenarbeit weiter vereinfachen », sagt Michael Kummer. Heute treffe man die Lieferanten aus Deutschland nur noch einmal jährlich persönlich, der Rest spiele sich virtuell ab. Und um einem Kunden eine Offerte zu erklären, müsse man nicht mehr von Kirchberg nach St. Gallen fahren, das funktioniere auch per Videocall. «Das spart uns Zeit, die wir für andere Aufgaben einsetzen können», so der Unternehmer.

Arbeitswelt 4.0 als Chance

«Die Art, wie wir arbeiten, hat sich durch die Digitalisierung und Covid-19 fundamental verändert. Die Frage ist deshalb längst nicht mehr, ob man sich darauf einlässt, sondern wie man diese Veränderung aktiv angeht», sagt Marc K. Peter, Leiter Kompetenzzentrum Digitale Transformation an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Gerade für KMU biete die Arbeitswelt 4.0 enorme Chancen, und zwar nicht nur für Bürobetriebe, wie der Experte weiss: «Es ist durchaus auch in Handwerksbetrieben möglich, unter dem Einbezug von neuen Technologien einen Arbeitsmix aus Aufgaben vor Ort und Arbeit von unterwegs anzubieten», so der Co-Autor des Buchs «Arbeitswelt 4.0: Als KMU die Arbeitswelt der Zukunft erfolgreich gestalten». Bei der KETAG in Kirchberg nimmt man sich das zu Herzen; so profitieren auch die Mitarbeitenden in der Werkstatt und auf der Baustelle von einer gewissen Flexibilität. «Wenn wir morgens um sieben Uhr öffnen, muss nicht gleich die ganze Belegschaft vor Ort sein – wenn jemand aus dem Team später mit der Arbeit beginnt, können die Kollegen die Aufträge entgegennehmen», so Michael Kummer. Und die Monteure auf der Baustelle wurden mit der nötigen Technologie ausgestattet, um Prozesse wie das Ein- und Ausstempeln oder die Rapporterstellung digital zu erledigen. Das erspart den Umweg in den Betrieb frühmorgens und nach getaner Arbeit. «Wichtig ist uns, dass unsere Kundinnen und Kunden den gleichen Service wie früher erhalten. Wenn wir dadurch gleichzeitig die Work-Life-Balance unserer Mitarbeitenden verbessern können – umso besser.»

Steigerung der Attraktivität durch Benefits

Auch bei der Küffer Elektro-Technik AG spielte der Fachkräftemangel keine unwesentliche Rolle bei der Transformation. «Als KMU können wir im Vergleich zu Grossunternehmen keine zusätzlichen Benefits bieten. Wenn wir am Markt als attraktiver Arbeitgeber auffallen wollen, müssen wir das über andere Anreize tun», erklärt Kummer. Er holt deshalb regelmässig die Stimmung und die Bedürfnisse im Team ab – und versucht dann, auf diese zu reagieren. So wurde auf Wunsch der Belegschaft die Mittagspause von eineinhalb auf eine Stunde verkürzt. «Früher mussten alle nach Hause fahren, egal, wie lange ihr Anfahrtsweg war. Heute kommt der ortsansässige Beck und liefert uns den Zmittag ins Haus.» Dadurch spare man Zeit und könne dafür am Abend früher nach Hause. Natürlich müsse man auch Kompromisse schliessen, bei 35 Mitarbeitenden könne man es nicht allen recht machen. «Die Kantine, die sich zwei der Mitarbeitenden wünschten, haben wir dann nicht realisiert», lacht Michael Kummer. Dazu Experte Marc K. Peter: «Die Arbeitswelt 4.0 ist immer ein Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Arbeitnehmenden und der Unternehmensstrategie. Je mehr man die Mitarbeitenden aber miteinbezieht, umso mehr tragen sie die Entscheidungen mit.» Zudem müsse sich jedes KMU bewusst sein, dass man sich vor hybriden Arbeitsweisen nicht verschliessen könne: «Sehen Sie New Work als Chance, ein brandaktuelles Thema gemeinsam mit Ihren Mitarbeitenden anzugehen und damit den Grundstein für die nächsten zehn erfolgreichen Jahre zu legen.»

Die Firmen

Das Park Hotel Winterthur wurde 1957 eröffnet. Ursprünglich spezialisiert auf Businessgäste, bietet das 4-Sterne-Stadthotel mit 73 Zimmern heute auch ein grosses kulinarisches und kulturelles Event- und Konzertangebot und darf mittlerweile auch viele Familien, Hochzeitsgesellschaften und Wochenendausflügler bei sich begrüssen. Philipp Albrecht ist seit Dezember 2017 Hoteldirektor und beschäftigt rund 50 Mitarbeitende.

Die Küffer Elektro-Technik AG ist ein Instandhaltungsdienstleister für Antriebs- und Steuerungstechnik. Was 1949 als Zwei-Mann-Betrieb in einer Garage begann, ist heute ein Elektrotechnikfachbetrieb mit 35 Mitarbeitenden und zwei Standorten. In den Instandhaltungswerkstätten in Kirchberg und Basel werden komplette Antriebssysteme revidiert und repariert. Die Servicetechniker warten und modernisieren Anlagen und Maschinen schweizweit in fast allen Bereichen der Industrie und des Gewerbes.

Die Experten

Prof. Dr. Marc K. Peter leitet das Kompetenzzentrum für Digitale Transformation an der FHNW Hochschule für Wirtschaft in Olten. Neben seinen Tätigkeiten als Dozent und Studiengangleiter ist er Initiant und Projektleiter von «Digitale Transformation für KMU» und hilft Unternehmen, digitale Wachstumsstrategien zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen. Zudem ist er Mitautor des Buchs «Arbeitswelt 4.0: Als KMU die Arbeitswelt der Zukunft erfolgreich gestalten».

Dr. Johann Weichbrodt ist Organisationspsychologe und Senior Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für Angewandte Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er forscht und unterrichtet zur erfolgreichen Gestaltung flexibler Arbeitsmodelle sowie zu Veränderungsprozessen in der Arbeitswelt. Seine Kompetenzschwerpunkte liegen in der Analyse und Gestaltung mobil-flexibler Arbeitswelt und der Führung und Organisation in flexiblen und agilen Kontexten.

In 15 Schritten erfolgreich in die Arbeitswelt 4.0

Initialisierung

1 Kickoff mit der Geschäftsleitung

2 Definition Projektziele/-umfang

Bedarfsabklärung/ Potenzialabstimmung

3 Standortbestimmungen im Unternehmen

4 Team-Workshops

Strategieentwicklung und Roadmap

5 Auswertung und Aktualisierung der Projektziele

6 Präsentation der Resultate und der Arbeitsweltstrategie

7 Projektplanung

Umsetzung/Einführung

8 Kickoff mit Projektteam

9 Umsetzung und Begleitung

10 Erfolgskontrolle und Projektrapport

11 Qualitätsmanagement und Sicherheit

12 Einführung

Projektabschluss/ Weiterentwicklung

13 Dokumentation

14 Kontrolle und Erfolgssicherung

15 Folgeprojekte im dynamischen digitalen Umfeld

Quelle: Marc K. Peter (FHNW)

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