Warum wohnen Kinder immer länger zuhause? Und zu welchen Konflikten innerhalb der Familie führt dieses Phänomen?
Ich sehe hier keine grundsätzliche Tendenz. Bis vor 50 Jahren lebten die Jungen meist zuhause bis mit Mitte 20 – bis zur Heirat. Jetzt gibt es grössere Unterschiede, was das Alter beim Auszug betrifft, und verschiedene Gründe für den Auszug. Früher blieb man eher aus gesellschaftlichen Gründen bei den Eltern wohnen, heute aus finanziellen und praktischen. Eine grosse Rolle spielt auf jeden Fall der deutlich höhere Anteil an Gymnasiasten, von denen viele im Anschluss an die Matura studieren.
Die Studiengänge an den Hochschulen sind heute viel schulischer als noch vor 25 Jahren. Es gibt kaum noch Langzeitstudiengänge, die es ermöglichen, dass man neben dem Studium jobbt und seinen eigenen Lebensunterhalt verdient. Das bedeutet, dass die Studierenden bis zum Ende der Ausbildungszeit finanziell von den Eltern abhängig sind. Dazu kommen die hohen Mietkosten in Schweizer Städten, wo auch die Hochschulen sind. Da stellt sich auch bei gut verdienenden Eltern die Frage: Warum 500 Franken oder mehr im Monat für Miete berappen, wenn zuhause ein Zimmer leer steht?
Das können ganz verschiedene Gründe sein: das Gefühl von Geborgenheit, weniger Druck, Geld verdienen zu müssen, reine Bequemlichkeit oder auch das Vermeiden von schlechtem Gewissen. Der letzte Punkt lässt sich aus meiner Erfahrung häufig beobachten, wenn das Kind nur noch einen Elternteil hat, weil der Vater oder die Mutter ausgezogen, gestorben oder emigriert ist. In solchen Fällen bleibt das Kind quasi als Partnerersatz daheim wohnen.
Entscheidend ist, ob die Kinder aus inneren Bedürfnissen oder finanziellen Gründen länger zuhause wohnen. Basiert das Zusammenleben auf beidseitigem Wunsch, gibt es sicher weniger Probleme. Gerade in sogenannten intakten Familien besteht möglicherweise eine reifere Auseinandersetzungskultur: In einem solchen Klima der Geborgenheit und des gegenseitigen Respekts fühlen sich alle wohler und es entsteht bei den Kindern weniger das Bedürfnis nach Loslösung. Zudem sind die Hierarchien flacher geworden. Wo früher Gehorsam gefordert wurde, wird heute mehr diskutiert und verhandelt. Somit ist auch die Erziehung schwieriger geworden.
Die Eltern bekommen vom Leben ihrer erwachsenen Kinder vielleicht mehr mit, als ihnen lieb ist (lacht). Das kann zu Abgrenzungsansprüchen der Kinder und zu Konflikten führen. Insbesondere wenn die Kinder wie noch mit 16 Jahren gefragt werden, wohin sie in den Ausgang gehen, mit wem und wie lange. Auch die Mithilfe im Haushalt ist aus meiner Erfahrung in vielen Fällen ein grosses Thema. Waschen die Kinder ihre Kleider selber? Übernehmen sie den Familieneinkauf? Oder lehnen sie sich einfach bequem zurück – nach dem Motto: Mama wird's schon richten.
Wenn junge Erwachsene mit ihren Eltern zusammenleben, braucht es eine Art Vertrag, der die Rollenaufteilung und die gegenseitigen Erwartungen berücksichtigt, ähnlich wie in einer WG. Es kann auch Sinn machen, ab und an einen Familienrat abzuhalten, bei dem gemeinsam Fragen des Zusammenlebens geklärt werden.
«Um sich ablösen und eigenständig leben zu können, muss sich der junge Mensch in der Welt zurechtfinden und für sich selbst einen Platz in der Gesellschaft finden.»
Die Eltern sind in erster Linie Vorbild. Unternehmen sie regelmässig etwas mit den Kindern und zeigen ihnen die spannenden Seiten des Lebens, werden auch die Kleinen eine Neugier fürs Leben entwickeln, was sie später aus dem «Nest» herausführen wird. Als wichtige Erziehungsaufgabe sehe ich das Vermitteln von Sicherheit und Verlässlichkeit: So können Kinder die Welt frei entdecken und wissen, dass sie jederzeit wieder zu den Eltern zurück können. Zudem ist es wichtig, dass Eltern ihre Erwartungen an die Kinder klar formulieren und einfordern. Konsequenzen sollten für die Kinder verständlich und möglichst vorhersagbar sein - nicht einmal hü und einmal hott.
Ich denke, bestimmte Charaktereigenschaften können die Tendenz, zum Nesthocker zu werden, verstärken. Jugendliche, die wenig zielorientiert oder überangepasst sind oder die Angst vor Veränderung und ein geringes Bedürfnis nach Exploration haben, könnten das Elternhaus attraktiver finden, als sich in der grossen, weiten Welt durchsetzen zu müssen. In diesem Zusammenhang müssen sich manche Eltern mit ihren eigenen Ängsten auseinandersetzen, um ihren Kindern die nötigen Freiheiten gewähren zu können.
Wenn das Zusammenleben mit dem bereits erwachsenen Kind zum Dauerkonflikt wird, rate ich dazu, das Kind zu einem Auszug zu bewegen. Auch wenn dieser nur von Seiten der Eltern gewünscht wird. Eltern sollten sich dabei auf keinen Fall ein schlechtes Gewissen machen. Aber spätestens jetzt ist es an der Zeit, dass der oder die junge Erwachsene lernt, dass auf ein nicht angemessenes Verhalten Konsequenzen folgen.
Einen optimalen Zeitpunkt gibt es aus meiner Sicht nicht. Dieser ist abhängig von äusseren Umständen – zum Beispiel, wenn das Kind sein eigenes Geld verdient – sowie der inneren Bereitschaft der Kinder und der Eltern. Ich habe schon so manche Eltern erlebt, die glücklich darüber waren, dass die Kinder lange daheim lebten. So mussten sie sich keine Gedanken über ihre eigene Situation oder ihre Partnerschaft machen.
«Viele Konflikte des Zusammenlebens resultieren daraus, dass die Beziehung noch auf dem gewohnten Eltern-Kind-Schema basiert und dass die jungen Erwachsenen von ihren Eltern finanziell abhängig sind.»
Früher oder später steht der Umzug in die erste eigene Wohnung oder in eine WG an. Um sich vor finanziellen Folgen im Schadenfall zu schützen – sei es, wenn in Ihrem Zuhause ein Unglück passiert oder Sie anderen Personen Schaden zufügen – sollten Sie sowohl eine Privathaftpflicht als auch eine Hausratversicherung haben. Haben Sie noch nicht so viel Besitz «gehortet», können Sie bei der AXA neu auch nur eine individuelle Rundumschutz-Zusatzdeckung für Ihre Lieblingsgegenstände wie Smartphone, Laptop, Rennvelo oder Surfbrett abschliessen.
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