Mitarbeiter und Vorsorge

Wenn Jung und Alt miteinander können, floriert das Geschäft

Bilder: Marco Vara
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Die anstehende Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation und der zunehmende Fachkräftemangel bringen KMU dazu, vermehrt in die eigene Arbeitgeberattraktivität zu investieren. Das sogenannte Generationenmanagement kann aber noch mehr. Sinnvoll angewendet, profitieren sowohl Arbeitnehmende als auch Unternehmen, wie das Beispiel Lenzlinger Söhne AG zeigt.

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    Meine Firma

    Originaltext erschienen in «Meine Firma», dem KMU-Magazin der AXA Schweiz.

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Zehn Personen in Schlüsselpositionen werden im umsatzstärksten Geschäftsbereich «Doppelböden» bei der Lenzlinger Söhne AG, die im Ausbaugewerbe und Eventgeschäft tätig ist, innerhalb von nur fünf Jahren pensioniert. Für Nicole Steiger, die Personalleiterin der Lenzlinger Söhne AG, ist es essenziell, dass das angesammelte Fachwissen der älteren Mitarbeitenden nicht plötzlich weg ist. «Neben den vielen Abgängen innert kurzer Zeit haben wir die zusätzliche Herausforderung, dass es keine spezifische Ausbildung für den Bereich gibt; die Mitarbeitenden müssen im Job selber angeleitet werden», erklärt sie. Ihre Lösung für die Problematik: flexible Pensionierungsmodelle. «Bei unseren Mitarbeitenden ist es inzwischen üblich, dass sie in einem Teilzeitpensum angestellt bleiben. Beispielsweise betreut jemand noch bestimmte Kunden, zu denen ein vertiefter Kontakt besteht, oder bestimmte Bereiche, wo grosses Spezialwissen vorhanden ist. Nach und nach findet dann eine Übergabe statt an jüngere Mitarbeitende, und innerhalb weniger Jahre läuft das Ganze meist natürlich aus», so ihre Erfahrung.

Für Unternehmen sind solche flexiblen Pensionierungslösungen eine gute Möglichkeit, um den Know-how-Transfer von altgedienten Mitarbeitenden an die jüngere Generation sicherzustellen und zudem die Schwierigkeiten abzufangen, die sie immer häufiger bei der Rekrutierung von qualifiziertem Personal haben – Stichwort Fachkräftemangel.

Mehr Pensionierte bleiben erwerbstätig

Doch aus Sicht von Nicole Steiger profitiert nicht alleine das Unternehmen. Ihrer Erfahrung nach schätzen es die Mitarbeitenden selber, nicht einen abrupten Schnitt zu erleben, sondern nach und nach sanft in den Ruhestand zu gleiten. «Sie werden nach wie vor gebraucht, haben eine Aufgabe und können ihre Hobbys neben dem Arbeiten langsam ausbauen», sagt sie. Etwa 80 Prozent der Mitarbeitenden arbeiten bei der Lenzlinger Söhne AG inzwischen über das offizielle Ruhestandsalter hinaus, schätzt sie.

Im Vergleich zum gesamtschweizerischen Schnitt ist diese Quote hoch, doch auch dort ist die Tendenz steigend. Gemäss dem Bundesamt für Statistik war 2020 jede sechste 65- bis 74-jährige Person (17,8%) nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters noch auf dem Arbeitsmarkt aktiv – 2005 lag der Anteil noch bei 12 Prozent. «Arbeitnehmende sind heutzutage offen, auch nach der Pensionierung weiterzuarbeiten», bestätigt auch Dr. Anina Hille, die an der Hochschule Luzern zum Thema Generationenmanagement forscht. Würden flexible Arbeitsmodelle zum Standard, würde sich die Quote von arbeitenden Seniorinnen und Senioren schnell weiter erhöhen, ist sie überzeugt. Aus ihrer Sicht sollten Unternehmen ihren Mitarbeitenden so oder so mehr Flexibilität ermöglichen, ihre Erwerbstätigkeit an ihren Bedürfnissen und ihrer Work-Life-Balance auszurichten, beispielsweise, indem sie ihnen Sabbaticals oder Teilzeitarbeit ermöglichen. «Die intrinsische Motivation bleibt so erhalten, dazu kommt, dass Personen bei der Pensionierung nicht schon völlig ausgebrannt sind», erklärt sie.

Dr. Anina Hille, Dozentin am Institut für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern.

Generationenmanagement hilft, Know-how-Transfer sicherzustellen

Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ernst zu nehmen und darauf einzugehen, ist einer der wesentlichen Aspekte des sogenannten Generationenmanagements. «Unternehmen stellen sich dabei die Frage, wie sie verschiedenen Generationen von Arbeitnehmenden optimale Arbeitsbedingungen bieten können», erklärt Anina Hille den Begriff. Die Dozentin an der Hochschule Luzern forscht seit 2017 zum Thema und weiss, dass es noch selten ist, dass KMU wie Lenzlinger Söhne AG sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen und entsprechende Massnahmen in Angriff nehmen. Aus ihrer Sicht sollte sich das ändern. «KMU sind vom Fachkräftemangel stark betroffen. Sie beschäftigen zwei Drittel aller Arbeitnehmenden in der Schweiz. Es liegt in ihrem Interesse, für Arbeitnehmende der jüngeren Generation attraktiv zu sein und gleichzeitig auch das Know-how älterer Arbeitnehmender im Unternehmen halten und an die nachfolgende Arbeitnehmergeneration weitergeben zu können»,  erklärt sie.

Denn die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre nähern sich dem Ruhestand. War vor 20 Jahren noch ein Viertel der Arbeitnehmenden über 50 Jahre alt, ist es heute bereits ein Drittel. KMU brauchen Konzepte, wie sie mit der anstehenden Pensionierungswelle umgehen sollen, der sie zusätzlich zum Fachkräftemangel trifft. Wesentlich aus Sicht von Expertin Hille: sich frühzeitig und nachhaltig mit dem Thema zu beschäftigen. «Eine Arbeitgeberattraktivität baut man nicht innerhalb weniger Monate auf, wenn beispielsweise eine Pensionierungswelle unmittelbar bevorsteht», erläutert sie.

Auf gemeinsame Werte setzen

Generationenmanagement beinhaltet aber noch mehr als den Transfer von Fachwissen und sich als Arbeitgeber gut zu positionieren. Es geht ganz allgemein darum, die Voraussetzungen zu schaffen, damit Mitarbeitende verschiedener Generationen gut zusammenarbeiten können – was sowohl im Interesse von Unternehmen als auch von Mitarbeitenden liegt (siehe auch Interview). Bei der Zusammenarbeit sei es wichtig, auf Werte zu setzen, welche Mitarbeitenden verschiedener Generationen gemeinsam am Herzen liegen, betont Anina Hille. «Umfragen zeigen beispielsweise, dass Mitarbeitende jeden Alters eine direkte Kommunikation, einen respektvollen Umgang oder flache Hierarchien schätzen. Will ein Unternehmen alle Mitarbeitergenerationen ansprechen, setzt es einen Fokus auf diese verbindenden Werte», so die Expertin für Generationenmanagement. Entscheidend sei, dass eine Vertrauenskultur vom Management akzeptiert und vorgelebt werde.

Das sieht auch Nicole Steiger von der Lenzlinger Söhne AG so. «Es ist wichtig, die verschiedenen Bedürfnisse der Mitarbeitenden frühzeitig abzuholen und bei Konflikten feinfühlig eine Lösung zu suchen – wenn beispielsweise die Ansichten von älteren und von jüngeren Mitarbeitenden auseinandergehen », sagt sie. Bezüglich Generationenmanagement möchte sie künftig neben den bestehenden flexiblen Pensionierungslösungen einen stärkeren Fokus auch auf die jüngste Arbeitnehmergeneration setzen und mit ihrem Unternehmen bereits bei Jugendlichen Präsenz zeigen – und so die die Generation von morgen bereits im Schulalter für eine Stelle im Unternehmen motivieren.

Die Firma

Die Lenzlinger Söhne AG mit Hauptsitz in Nänikon im Zürcher Oberland erbringt Dienstleistungen in den Bereichen Doppelböden, Bodenbeläge, Metallbau und Zeltvermietung; sie betreibt zudem drei Tankstellen in der Region. Das Unternehmen wurde 1862 gegründet und ist noch heute in fünfter Generation im Familienbesitz. Es beschäftigt rund 200 Mitarbeitende.

 

 

4 Fragen an Dr. Anina Hille, Dozentin am Institut für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern. 

Was haben KMU davon, wenn sie sich mit Generationenmanagement beschäftigen?

Ein KMU kann seine Arbeitgeberattraktivität für alle Altersklassen erhöhen, was angesichts des Fachkräftemangels immer wichtiger wird. Es kann zudem sicherstellen, dass das Know-how älterer Mitarbeitender vor deren Pensionierung an die jüngere Generation übergeht, und  umgekehrt, dass die eigenen älteren Arbeitnehmenden auch vom Wissen der jüngeren profitieren und damit arbeitsmarktfähig bleiben. Und nicht zuletzt weiss man aus der Innovationsforschung, dass Teams, in denen die Mitarbeitenden verschiedene Hintergründe und Ansichten haben, häufig bessere Resultate erbringen als sehr einseitig besetzte Teams. Denn Reibung erzeugt Innovation.

Das klingt rundum vorteilhaft. Weshalb beschäftigen sich dennoch noch wenige KMU mit dem Thema?

Viele gehen davon aus, dass allfällige Massnahmen teuer sind und viel personellen Aufwand bedeuten. Dabei muss es weder kompliziert noch teuer sein. Es gibt beispielsweise Online-Gratis-Tools zur Analyse der eigenen Altersstruktur. Und es gibt durchaus einfache Massnahmen.  Wichtig ist, dass eine grundsätzliche Offenheit der Unternehmensführung da ist und dass sich jemand des Themas annimmt.

Was sind die ersten Schritte?

Als Erstes ist es sinnvoll, die eigene Ausgangslage anzuschauen: Wie ist die Altersstruktur meiner Mitarbeitenden? Wie stark sind wir als Unternehmen vom Fachkräftemangel betroffen? Dann können Leitfäden konsultiert werden und Massnahmen ausgewählt, die zum Unternehmen und zur Situation passen. Die Hochschule Luzern bietet hier spezifisch auf KMU zugeschnittene Dienstleistungen. Möchten wir den Know-how-Transfer verstärken? Für die Generation Z attraktiver werden? Die Zusammenarbeit verschiedener Altersklassen stärken? Je nachdem sind andere Massnahmen sinnvoll.

Was könnten denn einfach umsetzbare Massnahmen sein?

Wenn noch nicht vorhanden, können als Erstes regelmässige Austauschgefässe aufgesetzt werden. Wer offen und vorurteilsfrei zuhört, erfährt die Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden und kann darauf reagieren. Gute Erfahrungen haben etwas grössere KMU auch mit altersgemischten Projektteams, systematischer Nachfolgeplanung für Schlüsselpositionen, Know-how-Tandems oder Kurz-Stages in anderen Abteilungen gemacht. Es gibt verschiedene Ansätze; das Wichtigste ist, dass Massnahmen langfristig Bestand haben und dass sie von der Führung getragen werden.

 

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