Ein Achtel aller Erwerbstätigen in der Schweiz ist selbständig – dies belegt die Studie «Arbeit und Erwerb» vom Bundesamt für Statistik vom März 2020. Haben Sie auch schon mit dem Gedanken gespielt, Ihre eigene Firma zu gründen? Welche Voraussetzungen braucht es für eine erfolgreiche Selbständigkeit? Wir haben uns mit Johanna Seeliger zum Experteninterview getroffen und über die optimalen Rahmenbedingungen und die dafür nötigen Eigenschaften diskutiert.
«Begeisterte Unternehmerin und Change Agentin» – so wird Johanna Seeliger auf der Profilseite des Impact Hub Zürich vorgestellt. Eine spannende Frau vom Fach, die unglaublich viel zu erzählen hat – lesen Sie selbst.
Mit am wichtigsten ist die Freude an dem, was man macht. Selbständigkeit heisst ins kalte Wasser springen – auch wenn man nicht in allen Bereichen Fachexpertise vorzuweisen hat. Sich getrauen, auf die Bühnen zu stehen, die einem geboten werden, um die eigene Mission zu verkünden. Früher war dies für mich – wie für viele andere Menschen – manchmal schwierig. Seit ich mein Thema «Diversity & Inclusion» gefunden habe, hat sich auch meine Einstellung verändert. Ich habe keine Angst mehr, im Mittelpunkt zu stehen, weil ich es nicht als Prüfung sehe, sondern als Chance, mich für ein wichtiges Thema einzusetzen.
Zudem hilft es, wenn man ein freiheitsliebender Mensch ist. Wer gerne seine eigene Chefin ist, wer seinen Tag nach den eigenen Bedürfnissen gestalten will, wer gerne selber viel bestimmt – für den ist die Selbständigkeit attraktiv.
Ich bin generell der Meinung: Geborene Unternehmerinnen und Unternehmer oder Selbständige gibt es nicht. Ich glaube, dass man viel lernen kann, wenn man es unbedingt will. Der Wille ist das Wichtigste. Wer einfach schnell reich werden will, für den ist die selbständige Erwerbstätigkeit wohl nicht das Richtige. Je nach Branche und Beruf arbeitet man mehr als im Angestelltenverhältnis, verdient aber dennoch weniger.
Des Weiteren gibt es Voraussetzungen, die für selbständigerwerbende essenziell sind: Entweder ist man eine «People-Person». Oder man verfügt über nachgefragte Fähigkeiten und viel Know-how. Wer zum Beispiel etwas anbietet, das andere auch können, hebt sich mit einem sympathischen Auftreten und einem guten Umgang mit Menschen wesentlich von der Konkurrenz ab.
Ich glaube, dass Menschen das Risiko einer selbständigen Tätigkeit überbewerten. Für die meisten besteht die Sorge darin, dass die eigene Firma nicht reüssiert. Dank der freiberuflichen Tätigkeit entwickelt man jedoch auch viele Fähigkeiten, die im Schweizer Arbeitsmarkt sehr gefragt sind. In vielen Jobs kommt es gut an, wenn man über Start-up-Erfahrung verfügt oder als Freelancerin oder Freelancer tätig war.
Effektiv besteht das Risiko also darin, dass man vielleicht ein Jahr lang weniger verdient. Daher sehe ich die Selbständigkeit nicht als Risiko. Sie ist vielmehr eine Investition und Weiterbildung.
Sehr hilfreich ist ein gutes, finanzielles Polster. Häufig braucht es einen längeren Atem als erwartet. Prozesse dauern länger, grosse Aufträge treffen nicht sofort ein. Verheerend: Der wirtschaftliche Erfolg ist in Reichweite – doch man muss abbrechen, weil die finanziellen Mittel ausgehen. Zudem setzt einen Geld unter Druck.
Ich merke, dass der Verkauf der eigenen Dienstleistung oder Ware immer dann am besten funktioniert, wenn man nicht dringend etwas verkaufen muss. Das Gegenüber spürt, wenn man auf die Zusage der Offerte angewiesen ist. Wer sich selber unter zu starken Druck setzt, ist blockiert. Die Kreativität bleibt aus. Es gibt diverse Modelle, um die Finanzierung zu stärken. Ob mit Erspartem oder dank einem Teilzeitjob, den man nebenbei ausübt. Oder mittels Runterschrauben der Lebenshaltungskosten. Hauptsache, der finanzielle Druck wird reduziert.
«Machen, was man liebt!»
Zugegeben: Es kommt bei mir sehr selten vor, dass die Motivation im Keller ist. Dies liegt wohl daran, dass ich so für mein Thema «brenne». Selbstzweifel – die hatte ich zwischendurch. Sie waren lähmend. Um ihnen entgegenzuwirken, habe ich viel mit meinem Mann, meinen Freundinnen und Freunden und anderen Selbständigen diskutiert.
Mein Geheimrezept? Machen, was man liebt! Zusammen mit den richtigen Personen. Und bei allem authentisch sein. Sich selbst sein, das ist wichtig!
Dies hängt stark davon ab, was man machen will und was einem sonst noch wichtig ist im Leben. Wer – wie ich – im Dienstleistungsbereich tätig ist, kann selbst bestimmen, wie viele Mandate genug sind, und sich die Zeit und Aufgaben selbst einteilen. Das verleiht in der Gründungsphase eine gewisse Flexibilität. Wer allerdings ein Team leitet oder Investorinnen und Investoren zufriedenstellen muss, büsst viel an Flexibilität ein. Ganz generell würde ich sagen, je früher, desto besser - wobei es keine Altersbegrenzung nach oben gibt. Eine Freundin von mir hat sich noch kurz vor der Rente selbständig gemacht und ist dabei richtig aufgeblüht.
Grundlegend hilft es, wenn man nicht immer nur Risiken sieht. Mut zum Ausprobieren – diese Einstellung lohnt sich. Nicht zu viel Angst haben! Es ist keine Schande, wenn etwas nicht funktioniert.
Es ist wichtig, dass man gegen aussen seine Fähigkeiten, Projekte und Referenzen kommuniziert. So gehören beispielsweise Testimonials und Ergebnisse auf die Firmenwebsite.
Es hilft sicherlich, wenn andere Menschen im eigenen Umfeld auch selbständig sind. Ich habe drei Jahre im Impact Hub gearbeitet und mich ständig mit Jungunternehmerinnen und Gründern ausgetauscht. Einige davon waren erfolgreich, andere nicht. Und dennoch ging es immer weiter. Niemand landete auf der Strasse. Entweder sie gründeten ein neues Start-up oder sie liessen sich wieder anstellen. Ich konnte beobachten, wie ganz normale Menschen den Schritt in die berufliche Unabhängigkeit wagten. Und dies hat mich ermutigt, es selbst zu versuchen.
Es ist wichtig, dass man gegen aussen seine Fähigkeiten, Projekte und Referenzen kommuniziert. So gehören beispielsweise Testimonials und Ergebnisse auf die Firmenwebsite. Da fällt mir ein: Ich sollte dringend meine Website überarbeiten (lacht).
Mir persönlich ist es wichtig, dass eine Geschäftsidee einen gesellschaftlichen Nutzen bringt. Damit eine Geschäftsidee auch Geld einbringt, sollte zudem ein Markt vorhanden sein. Und man sollte Begeisterung für die Geschäftsidee verspüren. Was mache ich tagtäglich, wenn ich diese Idee verfolge? Will ich diese Tätigkeit überhaupt ausüben? Nur wer diese Fragen ehrlich beantwortet, kann beurteilen, ob die Geschäftsidee auch zu einem passt.
Ich habe meine erste Firma als Studentin gegründet. Im Nachhinein denke ich: Wir hätten mehr Geld verlangen sollen (lacht). Es war vor allem eine Spielwiese, das beste Praktikum der Welt. Wären wir ausschliesslich wirtschaftlich an das Thema herangegangen, hätten wir viele spannende Projekte nicht realisiert. Deshalb: Ich bin sehr zufrieden, wie wir in die Selbständigkeit gestartet sind.
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