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Andere Länder, andere Möglichkeiten

Bilder: Dan Cermak
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Für viele KMU stellt sich früher oder später die Frage nach dem Schritt ins Ausland. Wie es mit den Expansionsplänen klappt und worauf man bei der Internationalisierung achten muss, zeigen drei Unternehmen.

 

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    Meine Firma

    Originaltext erschienen in «Meine Firma», dem KMU-Magazin der AXA Schweiz.

    ZUR AKTUELLEN AUSGABE

Die Schweiz ist ein Exportland. Allein im Jahr 2021 wurden Güter im Wert von sagenhaften 260 Milliarden Franken ins Ausland exportiert, und das trotz Corona-Krise. Die Schweizer KMU mischen im Exporthandel kräftig mit, sind sie doch für rund 45 Prozent der Warenexporte verantwortlich. Das ist nicht weiter erstaunlich, wie Philip Morger, Berater für Internationalisierungseinsteiger bei Switzerland Global Enterprise, sagt: «Die Schweiz hat naturgemäss ein überschaubares Marktpotenzial. Damit Unternehmen mittelfristig ausreichend wachsen können, ist der Schritt ins Ausland oft unerlässlich.»

Doch wohin soll die Reise gehen? Umliegende Märkte wie Deutschland, Italien oder Frankreich bieten sich aufgrund der geografischen und kulturellen Nähe an; man kennt die Gegebenheiten vor Ort, und auch die Reisedistanz ist überschaubar. Auf der anderen Seite zählen sie zu den reifen Märkten, der Wettbewerb ist intensiv und das Angebot bereits gross. «Wohin ein KMU expandiert, hängt stark von den individuellen Rahmenbedingungen wie persönlichen Stärken, finanziellen Ressourcen und Kundenpotenzial ab und bedarf einer sorgfältigen Analyse und Vorbereitung», weiss Philip Morger. KMU tun deshalb gut daran, genügend Zeit zu investieren und in einem ersten Schritt eine umfassende Markt- und Kundenanalyse durchzuführen. «Oftmals werden KMU aktiv aus dem Ausland angefragt; in einem solchen Fall lohnt es sich, diese Region als erste zu prüfen, da dort offenbar bereits ein Kundenbedürfnis besteht», so der Experte.

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    Philip Morger

    Philip Morger ist Berater bei Switzerland Global Enterprise (S-GE). S-GE ist seit 1927 die offizielle Schweizer Organisation für Exportförderung und Standortpromotion und unterstützt jährlich über 5500 Schweizer KMU bei ihrem internationalen Geschäft.

    Switzerland Global Enterprise

Erfolg ist abhängig vom Partner

So geschehen auch beim Nahrungsergänzungsmittelhersteller Bio-Strath AG. 1961 von Fred Pestalozzi gegründet, flatterte bereits ein Jahr später die erste Bestellung aus Kanada ins Haus; 1968 berichtete eine Journalistin in der grössten englischen Tageszeitung über die natürlichen Produkte aus der Schweiz. Damit kam der internationale Durchbruch. Heute ist die Bio-Strath AG in 54 Ländern weltweit tätig. «Unsere Hauptabsatzmärkte sind die Schweiz und Südafrika, wir exportieren unsere Produkte neben Europa aber auch nach Japan, Malaysia oder Trinidad & Tobago – Letzteres ein sehr erfolgreicher Markt übrigens», lacht Thomas Wismer, Leiter Verkauf International bei der Bio-Strath.

Die Bio-Strath AG betreibt in der Schweiz ein eigenes Verkaufsteam, im Ausland setzt der Traditionsbetrieb auf regionale Partner. «Lokale Distributoren kennen den Markt und die Kundenbedürfnisse besser, das ist ein entscheidender Vorteil in der Marktbearbeitung», erklärt Thomas Wismer. Damit dieses Geschäftsmodell funktioniert, ist viel Vertrauen nötig – Philip Morger von S-GE empfiehlt deshalb, die Partner genau unter die Lupe zu nehmen, bevor man sich für eine Zusammenarbeit entscheidet: «Der Erfolg ist abhängig von der Wahl des Distributors. Deshalb lohnt es sich, nicht gleich den erstbesten zu nehmen, sondern im Vorfeld sehr genau zu prüfen, ob der Partner die nötigen Voraussetzungen mitbringt, um das Produkt erfolgreich zu verkaufen.» 

«Die Schweiz hat naturgemäss ein überschaubares Marktpotenzial. Damit Unternehmen mittelfristig ausreichend wachsen können, ist der Schritt ins Ausland oft unerlässlich.»

Philip Morger, Berater Switzerland Global Enterprise

Darüber hinaus sei es elementar, ein enges Verhältnis zu den Partnern vor Ort aufzubauen und einen regelmässigen Informationsaustausch zu pflegen. Das bestätigt auch Thomas Wismer von der Bio-Strath AG: «Eine offene und respektvolle Kommunikation mit unseren Partnern ist das A und O.» Er selbst besucht seine Distributoren deshalb regelmässig. Am alljährlichen Distributionsanlass kommen die Partner aus aller Welt am Produktionsstandort in Herrliberg zusammen, gemeinsame Ausflüge inklusive. Ein guter Ansatz, findet Experte Philip Morger: «Die Partner müssen sich als Teil der Schweizer Firma fühlen und die Produkte verstehen, um sie im eigenen Markt erfolgreich zu vertreiben. Sie repräsentieren das Unternehmen im Ausland, sollten also auch davon begeistert sein.» Ein vertrauensvolles Verhältnis helfe zudem auch bei Konflikten oder kulturellen Unterschieden, ergänzt Wismer: «Man muss die Gewohnheiten des Landes kennen und sie respektieren.»

Das ist nicht nur bei der Partnerwahl, sondern auch beim Vertriebsmodell entscheidend. Kundenbedürfnisse und Absatzkanäle können je nach Land stark variieren; dem gilt es Rechnung zu tragen und Lieferfristen, Marketingstrategien und Serviceleistungen individuell anzupassen. «Informieren Sie sich im Vorfeld ausführlich über das Zielland und die Kundenbedürfnisse, holen Sie sich Experten zur Unterstützung, tauschen Sie sich mit Branchenverbänden aus, testen Sie Ihre Marktchancen. Eine Messeteilnahme, eine gezielte Social-Media-Kampagne oder eine Platzierung auf einem lokalen Online-Marktplatz kann wichtige Anhaltspunkte dazu liefern, ob ein Produkt vor Ort Potenzial hat», so Philip Morger. Dem stimmt auch Thomas Wismer von Bio-Strath zu: «Die meisten Märkte sind bereits gesättigt, der Markteintritt dadurch eine Herausforderung. Swissness kann ein Türöffner sein, aber das allein reicht nicht. Wer im Ausland Fuss fassen will, muss viel Grundlagenarbeit machen. Es lohnt sich daher, nicht in fünf Länder gleichzeitig zu expandieren, sondern einen Fokus zu setzen und Erfahrungen zu sammeln, die man dann auf andere Länder ausweiten kann.»

Die beiden Co-Geschäftsführer der Rotho Kunststoff AG, Andreas Ernst (links) und Luca Marcigot.

Schweizer Hauptsitz, multinationale DNA

Über die ersten Erfahrungen ist auch die Rotho Kunststoff AG längst hinaus. Der führende Hersteller von Kunststoff-Konsumgütern in Europa ist in über 50 Ländern tätig, seine Produkte sind in fast jedem Haushalt in der Schweiz zu finden. Gegründet 1889 als Robert Thoma Co. im süddeutschen Bernau, konnte die Firma 1981 ein lokales Unternehmen in der Schweiz übernehmen und fortan die Migros mit ihren Produkten beliefern. Eine Chance, welche die heutige Rotho Kunststoff AG ergriff, die nicht nur ihre Produktionsstätte in die Schweiz verlegte, sondern auch den Hauptsitz. «Auch wenn der multinationale Ansatz schon von Beginn an Teil unserer Unternehmens-DNA war, schlägt in unserer Unternehmensgruppe ein Schweizer Herz», sagt Andreas Ernst, Co-Geschäftsführer der Rotho Kunststoff AG.

Und auch wenn heute 75 Prozent des Umsatzes im Ausland gemacht werden – produziert wird der Grossteil der Komponenten nach wie vor im aargauischen Würenlingen. Trotzdem sah man bei der Rotho Kunststoff AG Expansionspotenzial. «Der Erfolg unserer Produkte auf dem schweizerischen und deutschen Markt und die Ähnlichkeit der Verbraucherbedürfnisse in Mitteleuropa haben uns davon überzeugt, unsere Produkte auch in anderen Ländern anzubieten», erklärt Andreas Ernst. Und sein Kompagnon Luca Marcigot ergänzt: «Die Expansion in andere europäische Länder war zudem eine Notwendigkeit, als wir in den 80er-Jahren die Kunststoffprodukte entwickelten. Sie müssen in grossen Mengen produziert werden, damit sich die Investition lohnt. Ein relativ kleiner Markt wie die Schweiz bietet da einfach nicht genug Möglichkeiten.»

Erfolgsfaktoren Kultur und Sprache

Auch die Rotho Kunststoff AG setzt auf eine länderspezifische Strategie bei ihrer Marktbearbeitung. «In gewissen Ländern arbeiten wir mit lokalen Partnern zusammen, in anderen Ländern haben wir einen zusätzlichen Produktionsstandort mit eigenem Vertrieb und Logistik, wieder in anderen kooperieren wir mit Grosshändlern und Distributoren. In Polen betreiben wir zudem seit 2016 ein zusätzliches Vertriebszentrum», erklärt Luca Marcigot, Co-Geschäftsführer der Rotho Kunststoff AG. Das benötige zwar mehr Ressourcen und Investitionen, um eine entsprechende Vertriebs- und Logistikstruktur aufzubauen, habe aber einen entscheidenden Vorteil: «Kultur und Sprache sind wichtige Faktoren für den Erfolg. Wenn die Verkaufsabteilung kulturell und sprachlich nah bei ihren Kunden ist, vereinfacht das die Marktbearbeitung enorm.» Natürlich bringe das gemischte Geschäftsmodell eine gewisse Komplexität mit sich, insbesondere da sich Vertriebswege und Absatzkanäle stark unterscheiden können, sagt Luca Marcigot: «Die Art und Weise, wie man in Frankreich, Deutschland oder Italien zusammenarbeitet, ist sehr unterschiedlich, obwohl es sich um drei grosse europäische Länder mit vielen Gemeinsamkeiten handelt.»

Er macht die Welt ein bisschen besser: Ulrich Wallnöfer, Inhaber und Geschäftsführer von Pur Suisse Alps.

Der feine Unterschied

Diese kulturellen Unterschiede hat auch Ulrich Wallnöfer zu spüren bekommen. Gemeinsam mit einem Partner betreibt er seit 2010 sehr erfolgreich mehrere regionale Genussmärkte in Südtirol. Ziel des Konzepts von «Pur» ist es, regionale Qualität von natürlichen Lebensmitteln und lokalen Weinen zu fairen Preisen für jeden zugänglich zu machen. «Wir wollen Genuss mit Heimat, Gesundheit und Lebensfreude verbinden und dabei einen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft leisten.» 2016 erhielten die beiden Partner die Chance, mit ihrem Konzept in die Schweiz zu expandieren und in St. Moritz und Chur zwei weitere Standorte zu eröffnen. Die Möglichkeit erschien naheliegend. «Schweizer haben wie wir Südtiroler eine sehr enge Beziehung zu ihrer Heimat und zu ihren regionalen Produzenten sowie ein grosses Interesse an ihren eigenen Produkten, deshalb war das für uns ein logischer Weg», erklärt Ulrich Wallnöfer. Trotzdem musste er feststellen, dass trotz der Nähe auch Unterschiede bestehen. «Wir haben gemerkt, dass es eine gewisse Zeit braucht, bis die Schweizerinnen und Schweizer ihr Konsumverhalten anpassen und sich auf Neues einlassen. Das unterscheidet sie etwas von den Italienern», sagt der selbsternannte «Food Freak» rückblickend. Das beobachtet auch Philip Morger von Switzerland Global Enterprise: «Auch wenn Länder eine geografische Nähe haben, gibt es doch immer feine kulturelle Unterschiede. In solchen Fällen kann es sich lohnen, lokales Verkaufspersonal anzustellen, das ein Vertrauensverhältnis zur Kundschaft aufbaut und den Markenaufbau unterstützt.»

Bei Pur Suisse Alps wird konsequent auf lokales Fachwissen gesetzt: «Wir legen grossen Wert darauf, dass unsere Teams in den Genussmärkten und -bistros aus der Region kommen und die Kundenbedürfnisse und lokalen Produzenten und Produkte persönlich kennen.» Wallnöfer sieht sich selbst dabei eher unterstützend im Hintergrund: «Mein Ziel ist es, die Inspiration und Passion von Pur Suisse Alps an unser Team weiterzugeben. Darüber hinaus sind wir aber holokratisch organisiert, über die Produktauswahl entscheidet unser Fachpersonal vor Ort.»

Weitere Expansionspläne hat Pur Suisse Alps kurzfristig nicht. Vorerst wolle man sich auf die Etablierung der bestehenden Standorte konzentrieren. Langfristig gesehen sieht Wallnöfer durchaus Potenzial: «Unser Konzept funktioniert genauso gut in St. Gallen, Winterthur oder Genf. Im Südtirol sind wir seit zwölf Jahren operativ und erfolgreich; wir sind zuversichtlich, dass uns das hier auch gelingt und eine weitere Expansion mit den richtigen Partnern langfristig sinnvoll ist. Die Schweiz hat grosses Potenzial, sowohl von der geografischen und kulturellen Nähe her, aber auch von der Mentalität und der Angebotsvielfalt der Produzenten.»

Die Firmen

Für ein besseres Wohlbefinden und zur Unterstützung des Immunsystems: Das Schweizer Traditionsunternehmen Bio-Strath AG produziert natürliche Nahrungsergänzungsmittel auf Basis der fermentierten Strath-Kräuterhefe. Gegründet wurde das Unternehmen 1961 in Zürich von Fred Pestalozzi. Erhältlich sind die Strath-Produkte in über 50 Ländern und in der Schweiz in Apotheken, Drogerien und Reformhäusern. Die Firma beschäftigt heute 25 Mitarbeitende in Zürich und Herrliberg.

Die Rotho Kunststoff AG entwickelt praktische und designorientierte Produkte für Aufbewahrung, Abfalltrennung, Küche und Haushalt. Rotho-Artikel werden europaweit in über 50 Ländern vertrieben und sind bei den führenden Händlern des Lebensmitteleinzelhandels und der Baumärkte im Sortiment vertreten. Das Unternehmen wurde 1889 gegründet und beschäftigt heute 800 Mitarbeitende in ganz Europa.

Pur Suisse Alps steht für eine faszinierende Vielfalt an 1600 Qualitätsprodukten aus den unterschiedlichsten Regionen der Schweiz und dem Alpenraum, hergestellt mit viel Herzblut von kleinen, regionalen Manufakturen. Mit der Vision, die Produktion und den achtsamen Konsum von Wein und Lebensmitteln zu fördern, gründeten Ulrich Wallnöfer und Günther Hölzl 2010 den ersten Genussmarkt in Meran, weitere Standorte in Südtirol folgten. 2016 expandierte das Unternehmen in die Schweiz und beschäftigt heute an insgesamt sieben Standorten in Italien und der Schweiz 145 Mitarbeitende.

3 Tipps um im Ausland Fuss zu fassen

Das richtige Geschäftsmodell wählen

Gerade wer in einen reifen Markt einsteigen möchte, muss das Geschäftsmodell konsequent auf den Nutzen für den Kunden ausrichten. Der Fokus soll voll und ganz auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sein. Es gilt im Vorfeld zu klären, ob dafür Lieferfristen, Serviceleistungen, Marketing oder Preismodell angepasst werden müssen.

Schweizer Qualität

Swiss made ist im Ausland nach wie vor ein Verkaufsargument, denn es steht für Qualität. Unternehmen müssen deshalb vom Lieferanten bis zum After-Sales-Service konsequent auf Schweizer Höchststandards setzen.

Digital denken

Eine genaue Auseinandersetzung mit den digitalen Trends ist im Export inzwischen unabdingbar. Die Digitalisierung spielt insbesondere in reiferen Märkten eine entscheidende Rolle. Allerdings unterscheiden sich die Einkaufsgewohnheiten je nach Land. Nicht zu vernachlässigen sind auch die sozialen Medien. Diese haben in der Vermarktung der Produkte und Dienstleistungen oftmals einen weitaus höheren Stellenwert als in der Schweiz.

3 Tipps um im Ausland zu wachsen

Beziehung zum Geschäftspartner aufbauen

Die Beziehung zum geeigneten Geschäftspartner ist für den Erfolg im Zielland entscheidend. Vor allem aufgrund von kulturellen Unterschieden können Missverständnisse entstehen, die sich in den Verkaufszahlen negativ widerspiegeln. Gute Geschäftsbeziehungen sind deshalb das Fundament jedes Erfolgs, und ein regelmässiger Austausch, sowohl beruflich wie auch privat, sorgt für eine gute Zusammenarbeit.

Eigene Standorte vor Ort prüfen

Je mehr Kunden in einem Zielmarkt gewonnen werden, desto mehr Arbeit kann auf die KMU zukommen. Es lohnt sich deshalb zu überprüfen, ob diese von der Schweiz aus für die Kunden zufriedenstellend bewältigt werden kann oder ob es eine eigene Niederlassung vor Ort braucht.

Geschäftsmodell weiterentwickeln

Sobald Kunden gewonnen werden konnten, müssen sie langfristig gebunden werden. Dazu eignen sich neuartige Preismodelle oder -strategien.

 

Quelle: Switzerland Global Enterprise

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