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AXA KMU-Arbeitsmarktstudie: Konkurrenzkampf mit Staat und Grossunternehmen um Fachkräfte
23.07.2025
Unzureichende Fachkenntnisse und die erstarkte Verhandlungsmacht der Arbeitnehmenden erschweren die Rekrutierung von Fachkräften für KMU zunehmend. Die AXA KMU-Arbeitsmarktstudie zeigt zudem: Zwei Drittel der KMU fühlt sich durch Grossunternehmen konkurrenziert. Und während Vielfalt in den USA zum Unwort wird, halten Schweizer KMU an Vielfalt als Zielsetzung fest – entsprechende Massnahmen werden aber noch kaum umgesetzt.
Schweizer KMU sehen sich weiterhin mit einem hartnäckigen Fachkräftemangel konfrontiert – das zeigt die aktuelle KMU-Arbeitsmarktstudie der AXA, die 2025 bereits zum vierten Mal und auch in diesem Jahr wieder mit dem Forschungsinstitut Sotomo durchgeführt wurde. Trotz steigender Arbeitslosenzahlen bleibt der Arbeitskräftemangel mit Abstand die grösste Herausforderung für KMU: 44 Prozent hatten mehrheitlich oder sogar meistens bzw. immer Probleme, offene Stellen zu besetzen, weitere 40 Prozent bekundeten zumindest teilweise Mühe, geeignetes Personal zu finden. Nur 16 Prozent hatten keine Probleme, offene Stellen zu besetzen. Der Fachkräftemangel wird zusätzlich durch Personalausfälle verstärkt – ein Problem, das sich in den letzten vier Jahren deutlich verschärft hat: Für rund ein Viertel der befragten Unternehmen gehört dieses Thema heute zu den grössten Herausforderungen. «Trotz der konjunkturellen Abschwächung bleibt der Arbeitskräftemangel damit ein strukturelles Problem für KMU», sagt Michael Hermann, Leiter Sotomo.

Abbildung 1: Grösste Herausforderungen für Schweizer KMU
Konkurrenz mit Grossunternehmen und Staat
Erschwerend kommt hinzu, dass KMU nicht nur untereinander, sondern auch mit grossen Konzernen und staatlichen Institutionen in einem intensiven Wettbewerb um Talente stehen. KMU spüren dabei den Konkurrenzdruck durch Grossunternehmen deutlich stärker als durch den Staat: 67 Prozent fühlen sich durch Grossunternehmen, die Hälfte durch den Staat stark oder mittelmässig konkurrenziert. Zwar schätzen sich die meisten KMU in Bezug auf Werte wie Teamgeist, Wertschätzung und einer familiären Arbeitsatmosphäre gegenüber Grossunternehmen und Staat als attraktiver ein, bei harten Faktoren wie Lohn, Vorsorge oder Karrieremöglichkeiten sehen sich die Befragten hingegen eindeutig im Nachteil gegenüber Grossunternehmen und Staat.

Abbildung 2: Attraktivität von KMU gegenüber Grossunternehmen und Staat
Fachkompetenz: Sehr gefragt, aber Teamfähigkeit ist Trumpf
Besonders gefragt, aber schwer zu finden, sind erfahrene und hochspezialisierte Fachkräfte – 83 Prozent der befragten Unternehmen fand es schwierig, Fachkräfte mit hoher Spezialisierung zu finden, bei der Rekrutierung von Führungskräften oder Kaderleuten bekundeten 68 Prozent Mühe. Dies im Unterschied zu Fachkräften ohne Berufserfahrung, deren Suche mehrheitlich als eher oder sehr einfach beurteilt wird.
Damit übereinstimmend nennen KMU unzureichende Fachkenntnisse als häufigste Rekrutierungsschwierigkeit. Bei der Einstellung von neuen Mitarbeitenden spielen jedoch auch andere Faktoren eine wichtige Rolle. Noch häufiger achten KMU nämlich auf die Zuverlässigkeit von ihren Mitarbeitenden (75 %) und rund zwei Drittel zählen auch Ehrlichkeit zu den wichtigsten Aspekten bei der Rekrutierung. Ebenfalls von grosser Bedeutung sind der soziale Fit und das Engagement im Team der Mitarbeitenden (55 % bzw. 54 %). Im direkten Vergleich wird der Teamfit in der Praxis sogar oft höher gewichtet: Stehen Fachkompetenz und Teamfähigkeit in einem Spannungsverhältnis, entscheiden sich fast drei Viertel der Befragten (72 %) für die Bewerbenden mit der besseren sozialen Passung. Lediglich 19 Prozent würden dem fachlich stärkeren, aber weniger teamkompatiblen Profil den Vorzug geben. Michael Hermann folgert: «Bei der konkreten Entscheidung im Bewerbungsprozess fallen heute weiche Faktoren wie die soziale Integration ins bestehende Team zunehmend stark ins Gewicht.»
Vielfalt: Wertvoll fürs Image, aber wenig konkret
Während Diversitätsprogramme in den USA unter dem politischen Druck der neuen Regierung zunehmend zurückgedrängt werden, halten Schweizer KMU weiterhin an Vielfalt als Zielsetzung fest. 57 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass ihnen Vielfalt im Betrieb wichtig ist. Auch scheinen KMU der Überzeugung, dass Vielfalt ein gewinnbringendes Argument für ihr Unternehmen ist, bzw. an Wichtigkeit zugenommen hat. Ein Drittel aller befragten KMU achten bei der Rekrutierung stärker auf Vielfalt als noch vor drei Jahren, bei den grossen KMU mit bis zu 250 Mitarbeitenden sind es gar 54 Prozent.
Dennoch bleibt die Umsetzung von konkreten Vielfaltsmassnahmen oft vage: Nur 45 Prozent der Unternehmen haben konkrete Massnahmen zur Förderung von Vielfalt getroffen, 55 Prozent verzichten auf gezielte Schritte. Auch bei der Rekrutierung hat der Beitrag zur Vielfalt im Team nur begrenzte Relevanz und wird lediglich von 27 Prozent als besonders wichtig eingeschätzt. «In gewissen Fällen scheint Vielfalt mehr ein hehres Ziel als eine Strategie, welche auf konkreten Massnahmen basiert», stellt Michael Hermann fest.
Wo Massnahmen bestehen, richten sie sich am häufigsten auf die Gewinnung junger Mitarbeitenden (23 %). Auch für die Geschlechterrepräsentation setzen Unternehmen Massnahmen: Rund 18 Prozent, um ihren Frauenanteil zu erhöhen, und zehn Prozent, um den Männeranteil zu steigern.

Abbildung 3: Wichtigkeit von Vielfalt im Team
Arbeitnehmende in starker Verhandlungsposition
Der Rekrutierungsprozess bleibt also kein einfacher für KMU. Neben der grossen Konkurrenz im Markt und fehlenden Fachkenntnissen von Bewerbenden stellen auch überhöhte Lohnvorstellungen ein verbreitetes Hindernis dar – besonders im Dienstleistungssektor, wo fast die Hälfte der KMU (48 %) solche hohen Lohnforderungen wahrnimmt. Im Produktionssektor ist der Lohndruck etwas weniger ausgeprägt (31 %). Dafür sehen sich dort mehr Unternehmen (42%) als im Dienstleistungsbereich (32 %) mit dem grundsätzlichen Problem konfrontiert, dass sich auf offene Stellen gar keine oder zu wenige Personen bewerben.
Generell hat der anhaltende Arbeitskräftemangel das Machtverhältnis zugunsten der Arbeitnehmenden verschoben: Zwei Drittel der KMU (63 %) sehen laut Studie die Beschäftigten heute in einer stärkeren Verhandlungsposition. Ein Grossteil der KMU (69 %) bemerkt diese grössere Verhandlungsmacht auch konkret im Verhalten ihrer Mitarbeitenden. Rund vier von zehn Unternehmen sind mit gesteigerten Lohnforderungen konfrontiert, knapp ein Drittel der KMU spürt vermehrt Ansprüche bezüglich flexibler Arbeitszeiten. Das zeigt sich insbesondere bei grösseren KMU: 89 Prozent beobachten ein verändertes Verhalten ihrer Mitarbeitenden.
Flexible Lösungen sind gefragt
Als Reaktion setzen die befragten Unternehmen auf mehr Flexibilität: Über die Hälfte der KMU bietet inzwischen individuelle Arbeitszeitmodelle und Teilzeitmöglichkeiten an. 56 Prozent der Unternehmen setzen auf flexiblere Arbeitszeiten, 50 Prozent auf mehr Flexibilität beim Arbeitspensum. Weitere Massnahmen sind zusätzliche Benefits (39 %), bessere Vorsorge- und Sozialleistungen (21 %) und höhere Löhne (17 %). «KMU müssen kreative Lösungen finden, um für Mitarbeitende attraktiv zu bleiben – Flexibilität ist dabei ein zentrales Stichwort», erklärt Michael Hermann.
Optimistischer Blick nach vorn – doch Herausforderung bei Nachfolgelösungen
Die meisten KMU blicken optimistisch in die Zukunft: 91 Prozent der befragten Unternehmen glauben an ihre Existenz in zehn Jahren. Dennoch ist die Herausforderung der Existenzabsicherung keine einfache. Die grössten Bedrohungen für das langfristige Bestehen von KMU sind laut den Befragten am häufigsten wirtschaftliche Unsicherheiten (40 %), veränderte Kundenbedürfnisse (35 %) sowie fehlender Nachwuchs (26 %). Die Nachwuchsproblematik zeigt sich auch darin, dass 44 Prozent der befragten Unternehmen die Suche nach einer Nachfolgelösung als schwierig einschätzen.
Über die Studie
Die Studienreihe AXA-KMU Arbeitsmarktstudie erlaubt vertiefte Einblicke in die Situation und Perspektiven kleiner und mittlerer Unternehmen in der Schweiz. Sie zeigt, mit welchen Herausforderungen KMU auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert sind und wie sie damit umgehen. Wie bereits in den Vorjahren wurde die Studie vom Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag der AXA realisiert. Für die vorliegende Ausgabe wurden vom 3. bis 10. März 2025 insgesamt 300 KMU aus der deutsch- und französischsprachigen Schweiz befragt.
Über die AXA
Rund zwei Millionen Kundinnen und Kunden in der Schweiz vertrauen auf die Expertise der AXA in der Personen-, Sach-, Haftpflicht-, Rechtsschutz- und Lebensversicherung sowie in der Gesundheits- und beruflichen Vorsorge. Mit innovativen Produkten und Dienstleistungen rund um Mobilität, Gesundheit, Vorsorge und Unternehmertum sowie einfachen, digitalen Prozessen steht die AXA ihren Kundinnen und Kunden als Partnerin zur Seite und ermutigt sie mit ihrem Markenversprechen «Know You Can», auch in herausfordernden Situationen an sich selbst zu glauben. Dafür setzen sich rund 4600 Mitarbeitende sowie die 3000 Kolleginnen und Kollegen im Vertrieb persönlich ein. Mit über 340 Geschäftsstellen verfügt die AXA über das schweizweit grösste Vertriebsnetz in der Versicherungsbranche. Die AXA Schweiz gehört zur AXA Gruppe und erzielte 2024 ein Geschäftsvolumen von CHF 6,2 Mia.